Marel-Geflügelverarbeitung

Maschinen- und Anlagenbau: Wie Marel die Bauteilkosten in den Griff bekommt

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Rund 1,5 Millionen Entwicklungsbauteile hat der weltweit aktive Maschinen- und Anlagenbauer Marel  mit Software von simus systems untersucht, um Arbeitspläne zu erstellen  und die Herstellkosten zu kalkulieren. Transparente Kosten an 16 Fertigungsstandorten weltweit, jederzeit abrufbares Wissenskapital und erhebliche Effizienzgewinne sind Ergebnisse des vierjährigen Projekts.

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Um die nachhaltige Produktion von hochwertigen, sicheren und erschwinglichen Lebensmitteln sicherzustellen, entwickelt und fertigt Marel mit 7.500 Mitarbeitern in über 30 Ländern Maschinen, Anlagen und Software, die durch Dienstleistungen ergänzt werden. Die Lösungen für die Geflügel-, Fleisch- und Fischverarbeitung und neuerdings für die Herstellung von Tiernahrung, Aquafutter und Proteinen auf Pflanzenbasis sollen Verschwendung reduzieren, die Erträge und die Wertschöpfung verbessern.

Transparente Kosteninformationen gewinnen

Deshalb strebt Marel in allen eigenen Tätigkeitsbereichen nach Exzellenz.

„Unsere Produktentwicklung, Beschaffung und Fertigung brauchen zum Beispiel weltweit bessere Einblicke in Produktkosten und Herstellungszeiten“,

erklärt André Kouwenberg, Global Manufacturing Engineer bei Marel. Etwa 70 Prozent der Kosten einer Maschine werden bereits im Entwicklungsstadium festgelegt.

André Kouwenberg, Global Manufacturing Engineer bei Marel

„Deshalb haben wir nach einer Lösung gesucht, die es uns ermöglicht, in Produktentwicklung, Beschaffung und Fertigung einheitliche Arbeitspläne und Kalkulationen zu verwenden. So können wir kostengünstige Entscheidungen treffen, ohne auf die unterschiedlichen Methoden oder das spezielle Wissen einzelner Mitarbeiter angewiesen zu sein.“

Bereits 2019 begann eine Projektgruppe mit der Suche nach einer Software, die anhand von 3D-Modellen und Bauteilinformationen automatisch Arbeitspläne und daraus die Kalkulation der zukünftigen Herstellkosten ableitet. Als auf der langen Liste von Anbietern nur noch zwei Namen standen, begann ein Pilotprojekt mit simus classmate.

„Aufgrund der guten Erfahrungen und Ergebnisse haben wir uns für die Software simus classmate und simus systems als strategischen Partner für die weltweite Implementierung entschieden“,

berichtet Kouwenberg.

simus classmate erstellt automatisch Arbeitspläne und Kalkulationen

Die Software-Suite simus classmate enthält mächtige Werkzeuge, um die verborgenen Potenziale in CAD- und ERP-Datenbeständen zu heben. Von der Strukturierung und Bereinigung bis zur komfortablen Synchronisation mit SAP gibt es Module, die man flexibel einsetzen kann. So analysiert das Modul classmate PLAN CAD-Modelle und erkennt anhand von Geometrie- und Textinformationen die typischen Herstellverfahren. Für jedes Bauteil werden anhand einer Technologiedatenbank automatisch Arbeitspläne für die betroffenen Maschinen und Arbeitsplätze erstellt. Anhand der Stundensätze, Bearbeitungsdauer und Materialkosten werden die zukünftigen Herstellkosten berechnet. Die Ergebnisse werden den Anwendern in der webbasierten Suchmaschine classmate easyFINDER übersichtlich angezeigt. Dieses Tool erlaubt Konstrukteuren den Zugriff auf Informationen direkt aus der Benutzeroberfläche des 3D CAD-Systems – bei Marel wären dies Creo Parametrics, SolidWorks und Inventor.

„Damit erhalten wir schon während der Entwicklungsphase Kosteninformationen, um die Konstruktionen zu verbessern. Ebenso finden wir schnell Bauteile anhand bestimmter Features. In der Fertigung sparen wir Zeit und Aufwand durch automatische erstellte Arbeitspläne, und die Beschaffung erreicht dank Target Costing bessere Konditionen“,

sagt André Kouwenberg.

Globaler Roll-out in vier Jahren

Hähnchen, Pute oder Ente – Marel entwickelt effiziente Lösungen zur Geflügelverarbeitung

Beginnend in Boxmeer und Dongen in den Niederlanden, wurde das neue System von 2020 bis heute an sieben von über 16 Standorten eingeführt. Das Vorgehen entspricht jeweils einem standardisierten Verfahren: Nach Workshops mit Konstrukteuren, Einkäufern, Kosteningenieuren, Fertigungsspezialisten und simus systems wird jeweils eine Technologiedatenbank mit allen internen und externen Produktionstechniken und -parametern gefüllt. Über Standardbearbeitungen hinaus werden 5-Achs-Fräsen, Drehfräsen, Blechbearbeitung, verschiedene Oberflächenbearbeitungen, 3D-Schneiden, Laserschweißen und – gemeinsam mit simus neu entwickelt – 3D-Drucken berücksichtigt. Schnittstellen zu ERP-, CAD- und PDM-Systemen werden implementiert. „Wir wollen immer mehr mit 3D-Modellen entwickeln“, sagt André Kouwenberg. „Doch oft müssen wir Informationen aus Zeichnungsdateien verwenden – sei es, weil es kein Modell gibt oder die Fertigungszeichnung das führende Medium ist, etwa bei Toleranzangaben.“ Die jeweilige Struktur der Fertigungszelle muss für das automatische Generieren von Arbeitsplänen berücksichtigt werden, bis die Bauteile richtig zugeordnet und die Arbeitspläne für die richtigen Maschinen erstellt werden. Schließlich werden die Lösungen an den Arbeitsplätzen installiert und die Mitarbeiter geschult.

Heterogene IT einheitliche Ergebnisse

Verschiedene ERP- und PDM-Systeme und allein drei 3D-CAD-Systeme waren zu berücksichtigen. „Dazu entwickelt jeder Standort eigene Arbeitsweisen, die wir berücksichtigen mussten“, sagt André Kouwenberg. simus classmate bietet als offenes Werkzeug viele Möglichkeiten zur Konfiguration. Für die komplexen Anpassungen konnte sich Marel auf das kompetente Team von simus verlassen. „Die Mitarbeiter sind sehr beschäftigt, aber unsere Projekte wurden alle pünktlich und im Rahmen des Budgets abgeschlossen.“

Auch wenn der Standort  in Lichtenvoorde in den Niederlanden gerade erst live geht, kann André Kouwenberg bereits eine stolze Bilanz vorweisen:

„Rund 1,5 Millionen Arbeitspläne und Kalkulationen wurden bereits mit simus classmate erstellt – dazu gehören viele vorhandene Bauteile, die nun mitsamt Arbeitsplan wiederverwendet werden können. Per Hand hätte uns dies 305.000 Stunden oder 180 Mannjahre gekostet.“

Positive Bilanz der betroffenen Mitarbeiter

Inzwischen erzeugen insgesamt weltweit rund 100 Anwender jährlich Tausende neue Kalkulationen pro Standort. Rund 30 Prozent der Anwender gehören zur Produktentwicklung, 39 Prozent zur Fertigung, 14 Prozent sind mit Beschaffung betraut und sieben arbeiten als Kosteningenieure. Der Erfolg einer neuen Software misst sich auch daran, ob die Lösung von den betroffenen Mitarbeitern angenommen wird. Eine Mitarbeiterbefragung ergab, dass 40 Prozent der betroffenen Mitarbeiter die Lösung täglich nutzen, 30 Prozent wöchentlich und weitere 30 Prozent mehrere Tage pro Monat. Bei 55 Prozent gilt das Hauptinteresse der Kostenkalkulation, 15 Prozent fokussieren sich auf Arbeitsplanerstellung und 25 Prozent sind an beiden Funktionen gleichermaßen interessiert. 65 Prozent der Nutzer halten die Anwendung für sehr brauchbar für ihren Tätigkeitsbereich. Nach dem Haupt-Nutzen für ihre Arbeit gefragt, geben fast 20 Prozent der Anwender an, gute Einblicke in die Kosten einzelner Produkte zu erhalten. 15 Prozent nennen Zeitersparnis, 13 Prozent höheres Kostenbewusstsein. Einfache Anwendung und die automatische Erstellung von Arbeitsplänen werden ebenfalls von je 13 Prozent angegeben.

CAD-Bauteil laden, Arbeitsplan betrachten und Kalkulation einsehen – Konstrukteure müssen die CAD-Oberfläche dazu nicht verlassen.

Transparentes Kostenwissen ist essentiell

Die breite Produktpalette von Maschinen enthält rund 70 Prozent Standardteile, 30 Prozent werden kundenspezifisch abgewandelt. Ein hoher Mix aus kleinen Stückzahlen stellt die Produktion vor Herausforderungen.

„Das standardisierte und breit verankerte Kostenwissen aus simus classmate ist daher für uns essentiell“,

meint André Kouwenberg. Durch ein Engineering Data Warehouse und ein eigenentwickeltes Kalkulationstool auf Maschinenebene, die jeweils auf Informationen aus simus classmate zugreifen, wurde der Nutzen weiter erhöht. „Insgesamt bringt dies bereits in einem frühen Entwicklungsstadium ein gutes Verständnis von den Herstellkosten einer Anlage“, sagt André Kouwenberg. Dabei bleibt Marel unabhängig von den eingesetzten Systemen, aber auch dem speziellen Wissen von einzelnen Mitarbeitern. André Kouwenberg fasst zusammen:

„Wir haben Kalkulation und Arbeitsplanerstellung von individuellen Kenntnissen und Vorgehensweisen befreit und auf eine objektive Ebene gestellt. Dies hilft uns besonders in einer Zeit, in der das zugrunde liegende Fertigungswissen aufgrund der Generationswechsel knapp wird.“

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