simus systems Dr. Arno Michelis

SAP-Experten im Interview: Die Zeit-Komprimierer

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Dr. Arno Michelis ist einer der Gründer und Geschäftsführer der simus systems GmbH. Er spricht im Interview über den Nachholbedarf vieler Unternehmen bei der Datenpflege, über das Zusammenspiel der Software simus classmate mit SAP und über sein Erfolgsrezept als Unternehmer.

Alter: 53
Geburtsort: Forbach im Murgtal (Baden-Württemberg)
Familienstand: verheiratet, 2 Söhne

Das Gespräch führte Frank Zscheile von der SAP-Fachzeitschrift S@PPORT.

Herr Dr. Michelis, ihr Unternehmen ist seit seiner Gründung 2002 auf Datenqualität spezialisiert. Wie kam es zu diesem Schwerpunkt?

Wir, das Gründungsteam und ich, haben uns schon an der Universität Karlsruhe im Rahmen unserer Promotion mit dem Schwerpunkt „Teilewiederverwendung“ und „Lösungsfindung“ befasst. Über Projekte mit Industriebeteiligung wurden die entstandenen Konzepte verifiziert und es zeichnete sich sehr bald ab, dass hohe Stammdatenqualität ein kritischer Erfolgsfaktor für digitale Geschäftsmodelle ist.

Woran liegt es, dass in diesem Bereich offensichtlich so viele Unternehmen Nachholbedarf haben?

Die Unternehmen haben sich zuerst um die Digitalisierung ihrer Kernprozesse gekümmert: der Produktentwicklung mittels 3D-CAD, der Verwaltung der entstehenden Dokumente, der Materialwirtschaft durch z.B. SAP ERP, und diese Aufgabenstellungen gelöst. Durch diese Schritte und die „Verbesserung“ der Datenerzeugung hat die Datenmenge aber fast schon sprunghaft zugenommen. Früher oder später wird nun in den Unternehmen verstanden, dass ohne entsprechende Datenqualität der avisierte Nutzen dieser Systeme nicht erreicht werden kann.

Tools zur Pflege von SAP-Materialstammdaten gibt es bekannterweise sowohl vom ERP-Hersteller selbst wie von verschiedenen Partnern. Wie gliedern sich Ihre Softwareprodukte hier ein?

Unsere Produkte zeichnen sich durch eine regelbasierte Analyse von Stammdaten und CAD Modellen zur Aufwertung der Datenqualität aus und reichern den üblichen manuellen Prozess im SAP-System flexibel an. Unsere Tools können an verschiedenen Stellen – und auch unterschiedlich tief – in die bestehenden Prozesse eingreifen, sei es nur für einen kurzen Qualitätscheck, oder aber umfassend, beispielsweise durch die komplette Steuerung eines Workflows zur Anlage von Materialstammdaten. Abhängigkeiten im Prozess sind gut abbildbar, und es lässt sich jederzeit nachsteuern, wenn neue Gegebenheiten das erfordern. Das datenführende System bleibt dabei aber immer SAP.

Ein Beispiel: Oftmals wird mit classmate DATA, einem Werkzeug für die Analyse, Bereinigung und den Aufbau von Klassifikationen zur Strukturierung von technischen Stammdaten gestartet. Diese Klassifikation wird dann über unsere Schnittstellen im SAP-System mit Struktur und Bewertungen angelegt. Eine logische Erweiterung ist classmate CAD, das Analyse-Werkzeug für 3D-CAD-Modellen zu deren automatischen Klassifikation, auf das wir ein Patent halten. Diese beiden Werkzeuge kümmern sich um den Bereich Datenanalyse und Datenqualität. Die Daten, die nun analysiert und aufbereitet sind, sollen aber auch effizient genutzt werden. Dies wird über unsere performante „Suchmaschine“ realisiert, zum Beispiel für die geometrische Ähnlichkeitssuche in 3D-CAD-Modellen. Zudem kann unsere Software, auf Basis der Geometrieanalyse und der Werkstoffinformation des 3D-CAD-Modells, jedes Konstruktionselement notwendigen Fertigungsverfahren zuordnen und deren Kosten und Zeitaufwände berechnen. Das Ergebnis ist ein Arbeitsplan sowie eine nach Losgrößen gestaffelte Preis(vor)kalkulation. Den Arbeitsplan übergeben wir dann beispielsweise wieder an ein SAP-System.

Sie positionieren sich mit ihrer Software zwischen ERP-, CAD- und PDM-Systemen und bieten Schnittstellen für die führenden Hersteller an. Welche Vorteile hat ein Unternehmen, wenn es das Thema Datenmanagement aus den originären Anwendungen herauslöst und an Ihre Software-Suite überträgt?

Ein großer Vorteil ist die Möglichkeit, die Daten verschiedener Quellen für die Bearbeitung heranzuziehen und die optimierten Daten ebenfalls an unterschiedliche Systeme weitergeben zu können. Durch die regelbasierte Funktionsweise lässt sich simus classmate sehr flexibel auf jede Unternehmenssituation einstellen und ist nicht begrenzt auf die Möglichkeiten, die typischerweise in der ERP- oder PDM-Lösung vorhanden sind. Wir analysieren und interpretieren die entstehenden Daten immer wieder aufs Neue und stellen so die Nutzbarkeit der Daten in den Prozessen nachhaltig sicher.

Voraussetzung für saubere Stammdaten ist eine gute Klassifikation. Viele PDM-Anbieter, so etwa die Karlsruher PROCAD, in deren Lösung PRO.FILE Sie sich ebenfalls integrieren, haben ihre bestehende Klassifikation durch den eCl@ss-Standard erweitert und positionieren sich damit als Datendrehscheibe zum Stammdatenmanagement für alle Fachbereiche. Welchen Zusatznutzen bringt hier eine eigene Lösung wie simus classmate?

Abstrakt gesprochen haben Sie mit dieser ecl@ss Definition leere Datenbanktabellen und können nun manuell den Artikelstamm einsortieren. Über unser classmate DATA werden mittels anpassbarer Regelwerke diese Tabellen automatisch gefüllt. Damit „komprimieren“ wir die Zeit von der Definition der Klassifikation und deren Befüllung/Bewertung mit dem Artikelstamm auf einen Berechnungslauf von wenigen Minuten. Das heißt, Sie können das Ergebnis quasi sofort einsehen und wenn notwendig Korrekturen und Re-Definitionen vornehmen. Mit dieser Herangehensweise haben wir eine sehr hohe Projektsicherheit. Im Fall von ecl@ss muss auch berücksichtigt werden, dass „nur“ Katalogware beschrieben wird und nicht das firmenspezifische Produkt. Hier können wir mit classmate CAD punkten und auch diese Daten einer automatischen Klassifikation zuführen, womit die Datenqualität nochmals deutlich steigt. Wir können zudem für Unternehmen eine Klassifizierungsstruktur aufbauen, die „nach innen“ optimiert ist, aber gleichzeitig „nach außen“ die Nutzung von ecl@ss ermöglicht, damit das Unternehmen diesen Nutzen an seine Kunden weitergeben kann.

Stammdatenpflege wird heute im engen Zusammenhang mit den Prozessen im Unternehmen betrachtet. Muss sich ein Tool für die Datenpflege also in die Geschäftsprozesse integrieren lassen, um dort den Fachbereichen eine nahtlose Schnittstelle zur Stammdatenbearbeitung zu bieten?

Unbedingt. Mit unserer Software können wir auch in einzelnen Prozessschritten Qualitätschecks vornehmen und somit flexibel bei der Datenpflege assistieren, beispielsweise indem wir Warentarifnummern vorschlagen oder standardisierte Einkaufsbestelltexte anbieten. Damit wird nicht nur die Datenqualität verbessert, sondern auch den Mitarbeitern Arbeit abgenommen, was für die Akzeptanz der Software sehr förderlich ist.

Softwaremigrationen sind für Unternehmen in der Regel eine gute Gelegenheit, ihren Datenbestand zu bereinigen. Beim Wechsel auf SAP S/4HANA dürfte das nicht anders sein – erwarten Sie hiervon zusätzliches Geschäft?

Ja, wir sind schon seit einigen Jahren „S/4HANA ready“ und haben in der jüngeren Vergangenheit einige Migrationen vorgenommen. Hierbei profitieren unsere Kunden von unserer langjährigen Erfahrung mit unterschiedlichsten Migrationsprojekten im SAP-, oder allgemein, ERP-Umfeld.

Als Geschäftsführer eines großen Unternehmens wird Ihnen einiges abverlangt. Welche Charaktereigenschaften sind ein absolutes Muss, um sich als selbstständiger Unternehmer behaupten zu können?

Disziplin, Fleiß sowie Ausdauer.

Und wie sieht Ihre Work-Life-Balance aus? Womit tanken Sie in der Freizeit Kraft auf?

Ich verbringe viel Zeit mit meiner Familie, aber ich habe auch zwei Hobbies, bei denen ich regelmäßig „auftanke“: Einerseits der Ausdauersport mit Radfahren und Laufen, andererseits das Musizieren mit dem Saxophon. Je nach Jahreszeit setze ich dann jeweils die Schwerpunkte, wenn es die Zeit erlaubt.

Angenommen, Sie hätten die Möglichkeit, das Unternehmen noch einmal aufzubauen: Welchen Umweg in der Vergangenheit würden Sie sich im Nachhinein lieber ersparen?

Es gibt nun mal leider kein „Kochrezept“ für die erfolgreiche Gründung und Aufbau eines Unternehmens, insofern ist dieser Prozess durch „Trial and Error“ geprägt, es dürfen die Fehler nur nicht zu groß sein. Wichtig war für mich immer Mitarbeiter zu finden, die sich mit dem Thema Datenqualität identifizieren und unsere Projekte daher mit Herzblut vorantreiben.

Abschließend die Frage: Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?

Bei der simus systems GmbH, einem durch selbst erwirtschaftetes operatives Geschäft gesund gewachsenem Unternehmen, mit zufrieden Kunden, engagierten Mitarbeitern und gut organisierten Prozessen.